Die Schweizer kennen die Lebensmittelpyramide, halten sich aber nicht daran

Auslage eines Marktstandes: Schweizer essen durchschnittlich zu wenig Früchte, Gemüse, Hülsenfrüchte und Milchprodukte.

Die Resultate der nationalen Erhebung menuCH zeigen, dass die Ernährung der Schweizer Bevölkerung einer umgekehrten Lebensmittelpyramide gleicht.

​Im März 2017 wurden die ersten repräsentativen Ergebnisse der nationalen Ernährungserhebung menuCH über den Lebensmittelverzehr und das Ernährungsverhalten in der Schweiz publiziert. Die Resultate zeigen, dass die Ernährung der Schweizer Bevölkerung einer umgekehrten Lebensmittelpyramide gleicht.

Im Vergleich zu den Ernährungsempfehlungen essen Schweizerinnen und Schweizer durchschnittlich zu wenig Früchte, Gemüse, Hülsenfrüchte und Milchprodukte. Hingegen konsumieren sie zu viel Fleisch sowie süsse und salzige Zwischenverpflegungen. Angéline Chatelan vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Lausanne ist Teil der Forschungsgruppe, welche die menuCH-Studie durchführte. Sie berichtet über die Herausforderungen dieser nationalen Erhebung.

Die Erhebung menuCH liefert erstmals repräsentative Daten zu den Ernährungsgewohnheiten in der Schweiz. Ist die Schweiz im Rückstand beim Wissen über Ernährungsverhalten ihrer Bevölkerung?

Angéline Chatelan: Ja, ganz klar. Bis im Jahr 2014 hatten praktisch alle Länder Europas mindestens eine nationale Studie über die Ernährung durchgeführt. Es ist nicht so, dass in der Schweiz vor menuCH keine Daten über die Ernährung existierten, aber sie waren unvollständig. Kohortenstudien gaben regionale Tendenzen wieder. Deren Methoden sind untereinander jedoch nicht immer vergleichbar und/oder die Ernährung war nicht in jedem Fall das Hauptthema. Das Besondere an der menuCH-Studie ist, dass sie dank standardisierten Methoden für die Informationsbeschaffung zum Lebensmittelverzehr europäische Kriterien respektiert. Zudem wurden erstmals eine repräsentative Schweizer Stichprobe individuell und detailliert zur Ernährung befragt.

Ebenso wie menuCH verfolgt auch das NFP 69 das Ziel, Brücken zwischen Ernährung und Gesundheit zu schlagen. Wie kann die Erhebung menuCH den Forschenden des Programms dienen?

Im Rahmen von menuCH wurden viele Daten erhoben. Einige betreffen Methoden für die Aufbewahrung von Lebensmitteln, Verpackungen, saisonale Produkte, etc. Diese Daten wurden bisher noch nicht ausgewertet und werden bald beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zugänglich sein. Es könnte hilfreich sein, diese mit bestimmten Projekten des NFP 69 zu kombinieren.

Wie könnte man die Schweizer Bevölkerung angesichts der Umfrageresultate dazu bewegen, sich gesünder zu ernähren?

Etwa drei von vier Personen in der Schweiz kennen die Lebensmittelpyramide. Daher sollte man sich nicht zu stark auf Massnahmen konzentrieren, die auf das Ernährungswissen abzielen. Hingegen könnte man bei der Verfügbarkeit und beim Zugang zu Produkten tätig werden. Die Schweiz subventioniert die Produktion von Fleisch und Milchprodukten. Die Beiträge könnten zum Beispiel auch in pflanzliche Landwirtschaftsprodukte fliessen, so dass der Preis von Früchten und Gemüse sinkt. Umgekehrt könnte man weniger gesunde Produkte wie Süssgetränke besteuern oder deren Verkauf an Schulen verbieten. Eine andere Lösung wäre es, zusammen mit der Industrie schrittweise den Gehalt von Salz, Zucker oder anderen Zusatzstoffen in verarbeiteten Produkten zu senken. Schliesslich könnte man an den Schulen von klein auf Kurse zu Ernährung, Kochen und den allgemeinen Umgang mit Nahrungsmitteln anbieten.